Historytour nach Stettin
Nach dem wir im vorigen Jahr den NVA-Bunker in Kossa und einige Lost Place in Leipzig erkundet haben, führte uns im diesen Jahr die Reise nach Stettin. Die Hauptstadt Westpommerns ist von Treuenbrietzen in ca. 2.20 Stunden mit dem Auto zu erreichen.
Wir trafen uns um 10.30 Uhr mit unserer Führerin Magda am Eingang des größten nicht militärischen Bunkers in Polen. Er befindet unter dem Hauptbahnhof und wurde zum Teil in den angrenzenden Hang eingebaut. Der Bunker erstreckt sich über fünf Ebenen, deren Wände und Decken aus drei Meter dicken Stahlbeton bestehen. Die Gesamtfläche beträgt 3000 m2. Während der Luftangriffe in WK2 bot er bis zu 5000 Personen Schutz. Nach dem Krieg wurde dieser Ort zu einem Atomschutzbunker umgewandelt. Auf der einstündigen Führung kann man mehrere Themenausstellungen und ca. 500 Exponate besichtigen. Neben Magda begleitete uns noch eine Kollegin die Audiobeiträge an bestimmten Stationen einspielte. Das war alles sehr interessant. Nebenbei erhielten wir auch viele Informationen über das „Venedig des Nordens“ wie es vor dem Krieg hieß und das Stettin bis 2050 wieder werden will. Die Stadt wurde während des Krieges bei mehreren Bombenangriffen im Zentrum und Hafen bis zu 80 % zerstört. Der Bunker ist täglich, auch ohne Voranmeldung zu besichtigen.
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Danach unternahmen wir eine zweistündige geführte Stadtbesichtigung mit den Highlights Hakenterassen, die neue Philharmonie und das wiederaufgebaute Schloss der pommerschen Herzöge. Jeder Besucher der Stadt kann auch auf einer roten Route, die auf dem Bürgersteig gekennzeichnet ist, die Sehenswürdigkeiten selbst erkunden. Stettin ist von Berlin in zwei Stunden mit dem Zug zu erreichen. Weiter Informationen erhalten Sie hier: http://www.stettin-erleben.de/
Gestärkt mit Bigosch und Gulaschsuppe machten wir uns am Nachmittag auf nach Pölitz, ca. 15 km nördlich von Stettin. Hier befindet sich ein noch wenig bekannter Lost Place: Die Reste der Hydrierwerke Pölitz AG. In dem ab 1937, auf einer Fläche von 200 Hektar, von der IG Farben in Pölitz erbauten Hydrierwerk wurde aus Kohle (die meist über die Oder aus Oberschlesien angeliefert wurde) in einem aufwändigen Verfahren synthetisch ein Ottokraftstoff für die Luftwaffe hydriert.
Pölitz wurde 1939 zu Stettin eingemeindet, für die deutschen Arbeiter wurden im Ort mehrere Siedlungen errichtet. In dem Werk waren aber auch viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge beschäftigt, die in den mehreren Lagern um das Hydrierwerk herum untergebracht waren. Aufgrund der Existenz der Fabrik wurde Pölitz Ziel mehrerer schwerer Luftangriffe der Alliierten. Das Werk selbst wurde nach Kriegsende 1946 auf Befehl der Sowjetarmee von deutschen Kriegsgefangenen demontiert und in der Sowjetunion wieder aufgebaut. Das, was die Sowjets nicht verwenden konnten, ließen sie zurück: Übrig blieben einige Bunker und Betonskelette einstiger Fabrikhallen, eines Güterbahnhofs und eines Elektrizitätswerks. Polnische Pioniere sprengten die Reste, danach trainierte die polnische Armee jahrelang auf dem Gelände für den Ernstfall.
Von dieser Bebauung haben sich bis heute verschiedene Gebäude in unterschiedlichstem Zustand erhalten. Dominant ist das ehemalige Kohlhebewerk, das den Halbfabrikaten vorbehalten war. Sichtbar ist das Stahlskelett des Kraftstoffbrenners. Auch Luftschutzbunker und Splitterschutzzellen, mit ihrer eiförmigen Gestalt schützten sie eine Person, sowie Westermänner mit typischer Betonspitze blieben erhalten. Wie alles andere finden sich auch Silos, also Benzintanks in dem dicht mit Sträuchern und Büschen überwucherten Areal. Der Zugang ist schwierig und gefährlich, hier liegen überall ungeräumte Trümmer und Metallteile ragen aus dem Boden, weshalb von einer ungeführten Tour über das Gelände nur abgeraten wird.